Dominikus Zimmermann: Lichtgestalt des Rokoko
Dominikus Zimmermann: Lichtgestalt des Rokoko Gebundene Ausgabe – 18. Oktober 2016 von Axel Tilch (Text), Hans Engels (Fotos)
Dominikus Zimmerman wurde am 31.(!)Juni 1685 in Gaispoint geboren - erst 1853 erhielt der Ort die amtliche Erlaubnis sich Wessobrunn zu nennen - und starb am 16. November 1766 in seinem von ihm unterhalb der Wieskirche erbauten Wohnhaus. Der Taufbucheintrag des Wessobrunner Pater Marianus trägt das Datum „31. Juni“. Vielleicht war es diese Kuriosität, die schon zur Geburt die Einzigartigkeit eines Kindes ankündigte, das sich zu einem der berühmtesten Baumeister des Rokoko entwickelte, „Architect e Stuckador Landsbergiensis”.
Zusammen mit seinem Bruder, dem Maler und Stuckateur Johann Baptist Zimmermann schuf er solche Meisterwerke wie die Wallfahrtskirche Steinhausen und die Wieskirche bei Steingaden, sozusagen ein „dreamteam“ des 18. Jahrhunderts. Seine Bauten zeigen, was mit der Vorstellung „Das eine im anderen“ gemeint ist: Jedes Projekt ist schon im nächsten angelegt, und das nächste im übernächsten. Am Ende dieser Kette steht die Wieskirche. Sie ist einer der magischsten Orte des Rokoko und lebt nur durch das Licht – man könnte von einer architektonischen Transsubstantion sprechen, der Verwandlung von Materie in gleißendes Licht.
Charles Moore beschreibt in seinem Buch »Body, Memory and Architecture« eindrucksvoll die Wirkung der Architektur auf die Gläubigen: »Wenn die Sonne während eines stundenlangen Gottesdienstes wandert, streift das Sonnenlicht die weißen und goldenen Feinheiten des Stucks, weist auf sie hin und hebt sie hervor, und lässt auf den Köpfen und Körpern der Heiligen, den wallenden Formen und dem goldenen Gewirr der Girlanden, Schatten zurück. Aber das faszinierendste im Licht sind die Pfeiler, eine Verbindung von rund und kantig, im Querschnitt ein Kreis mit hohlkehlenartig angesetzten Kanten, wobei der Schatten etwas Licht bekommt, so dass eine scharfe dunkle Linie die schattige Seite begrenzt oder umgekehrt eine leuchtende Linie die helle Seite des Pfeilers.
Das Licht erfüllt die Gläubigen, es hüllt jeden in eine heitere vergängliche Wärme und trennt sie vom Mysterium des dunkleren farbigen Hochaltars. Hier wird mit der Sonne das ganze Zauberwerk des barocken Theaters die Heilige Messe zelebriert.«
Die Ausstellung »Lichtgestalt des Rokoko« in Landsberg zeigt, wie Dominikus Zimmermann sich von Bauwerk zu Bauwerk in seinen Ausdrucksmöglichkeiten steigert und wie virtuos er am Ende mit dem Bau der Wieskirche das Licht in nie gekannter Weise als Gestaltungselement für den Innenraum einsetzt.
Wallfahrtskirche „Zum gegeißelten Heiland“
Neubau. Architektur und Stuck, Chorfresko und Langhausfresko von Johann Baptist Zimmermann. 1745-1754
Wies bei Steingaden Landkreis Weilheim-Schongau, Oberbayern
„ Wie stellt man es an, dass ein
Gebäude einen Standort beherrscht,
dessen Ausmaße nichts mit ihm gemein
haben?“
Das Flüstern des Ortes - Eine unbestechliche Persönlichkeit: die Landschaft mit den vier Himmelsrichtungen. Die Wieskirche lebt von ihrer Stellung in der Wiesen- und Waldlandschaft. Wie aber ist es möglich, dass ein Gebäude von einigen Kubikmetern Schwerpunkt einer Landschaft von Millionen Kubikmetern sein kann? Wie stellt man es an, dass ein Gebäude einen Standort beherrscht, dessen Ausmaße nichts mit ihm gemein haben? Es ist wohl die Dichte. Das Material, die physische Masse und die Anordnung der Formen lassen den Bau für das Auge und den Geist dichter erscheinen als ein Baum oder ein Hügel. Ohne diesen Schwerpunkt gibt es keine Architektur. Die körperliche Präsenz der Architektur macht sie unverrückbar, der Ort ist garantiert. Aber ohne den Ort, den einen, gibt es keine Architektur. Zur Einmaligkeit des Ortes - eine völlig freie Architektur. Kein anderes Programm als das Lesen der Messe, eine der ältesten menschlichen Handlungen.
Von Norden kommend empfängt den Pilger ein wohlmodellierter Baukörper aus Priesterhaus, Turm, Chor, ausgebauchtem Langhaus mit der plastischen Vorwölbung der Westfassade, die als Auftakt mit den Säulen, Baldachinen und dem in weichen Kurven verlaufenden Giebel eine Ahnung vom überwältigenden Innenraum gibt.
Schloss- und Wallfahrtskirche „Maria von der Versöhnung“
Neubau. Architektur, Stuck und Fresken 1739-1742
Pöring Landkreis Landsberg am Lech, Oberbayern
Schlosskirche Pöring „Maria Versöhnung“ - Der Bischof von Augsburg wollte dem Neubau der Wallfahrtskapelle nur zustimmen, wenn sie nicht durch das Schloss, sondern frei von außen betreten werden kann. Zunächst sollte der Landsberg Maurermeister Leonhard Möhringer den Auftrag bekommen. Er zog sich jedoch aus Altersgründen zurück, so dass Dominikus Zimmermann den Zuschlag erhielt. Während er die Frauenkirche in Günzburg ausführte, arbeitete er auch an den Plänen für die Schlosskirche Pöring. 1739 fand die Grundsteinlegung statt. Die Bauausführung ging jedoch nur schleppend voran, erst drei Jahre nach Baubeginn stand der Rohbau, da das Geld fehlte. Erst 1755 konnte das Gotteshaus geweiht werden; die Fertigstellung des Hochaltars verzögerte sich gar bis 1769.
Dreipass und Quadrat - Die Schlosskirche Pöring wird als Dreikonchen- oder Dreiapsidenkirche beschrieben. Die Kirche ist aber viel raffinierter: Der Chor zeigt im Grundriss einen ungleichen Dreipass der mit einem Langhaus organisch verschmolzen wird. Pöring ist eigentlich eine Mischung aus Zentralbau und Längsbau. Die Flachkuppeln der drei kreisförmigen Altarräume schwingen wie Baldachine in das Spiegelgewölbe des Hauptraums ein. Dort werden sie von Mauerbögen aufgenommen und in einer eleganten Wellenlinie von den Kapitellen der frei vor der Wand stehenden Säulen aufgefangen. Das alles gibt dem kleinen Kirchenraum eine erstaunliche Leichtigkeit, Harmonie und „Bella Figura“. Die weißen Wände und die feine zurückhaltende Stuckierung unterstreichen dazu noch seine Vornehmheit.
Kurventechnik - Die „Delicatesse“ geschwungener Linien und sanft ondulierter Oberflächen faszinieren die meisten Menschen. Die Freude bei der Wahrnehmung geschwungener Formen beruht wohl darauf, dass der Gesichtssinn als Stellvertreter des Tastsinns fungiert. Das Sehen ist mit dem Wunsch nach Berührung verbunden. Während das Auge an der konvexen Gestalt entlang wandert, tastet es sie gewissermaßen ab. Es gibt also eine Verbindung zwischen Sehen und Fühlen, und es scheint, dass wir uns angesichts weicher, gerundeter, geschmeidiger Formen entspannen,
„Die Linie genießt der Betrachter,
wie wenn er der Schönheit eines
Frauenhalses oder der kalligrafische
Eleganz einer schönen Schrift
mit den Händen entlang fährt.“
während wir kantigen, eckigen Objekten eher kühl gegenüber stehen. Die Linie, die das Konvexe und Konkave zeichnet, genießt der Betrachter, wie wenn er der Schönheit eines Frauenhalses oder der kalligrafische Eleganz einer schönen Schrift mit den Händen entlang fährt. Während man der Spur mit den Augen nachgeht, streicht man über die Oberflächen und fährt nicht nur Umrisse ab, sondern man erfasst auch das Körpervolumen. In der Schönheit der Wellenlinie fällt zudem die Schönheit des Funktionalen mit der des Ornamentalen auf natürliche Weise zusammen.
Filialkirche St.Johannes am Vorderanger (Johanniskirche)
Neubau. Architektur, Stuck, Hochaltar, Wand- und
Kuppelfresko 1740-1754
Landsberg am Lech Oberbayern
Klassik gemixt mit Popart - Der Kirchenraum verblüfft wegen seines purifizierten Rokoko, er ist von einer fast klassizistischen Coolness. Acht reinweiß gekalkte Säulen stehen mit leichtem Abstand vor den Wänden, die in Benediktbeurer Grün gestrichen sind. Auf den Korinthischen Kapitellen der Säulen sitzt ein kantig weit vortretendes Gebälk, dazwischen ein das Deckengemälde scharf trennendes Gesims. Das Fehlen der üblichen Stuckierung gibt dem ganzen Raum eine sehr vornehme Atmosphäre. Das rechteckige Langhaus wird im Innern zu einem Oval mit angefügten halbrunden Nischen umgemodelt. Der Chor wird als Kreis angefügt. Der Blick erfasst Hochaltar und Seitenaltäre, die in den westlichen Nischen stehen, gleichermaßen.
Alle drei Altäre haben sich von der strengen Tektonik früherer Altarbauten gelöst. Zwar gibt es noch ein Antependium, eine Mensa, eine Predella und das Altarbild, aber alles schwingt, schweift und schwebt. Die Seitenaltäre schwingen und kurven sich über C-Bögen nach außen und innen. Wo früher Sockel, Stuckmarmorsäulen, Kapitelle und Gesimse waren, schwänzeln kokett Rocaillen hoch und verbinden sich mit der Herzgloriole die über und über mit Putti und goldenen Strahlen besetzt ist. Der Antragsstuck der beiden Altäre ist völlig weiß gehalten, über das Weiß fließen goldene Linien und Verzierungen bis zum goldenen Strahlenkranz.
„Alles schwingt, schweift und schwebt.
Die Seitenaltäre schwingen und kurven
sich nach außen und innen. Wo früher
Sockel, Säulen und Gesimse waren,
schwänzeln kokett Rocaillen hoch
und verbinden sich mit über und
über mit Putti und goldenen Strahlen
besetzten Herzgloriole.“
Zwei Säulen des Langhauses geben den Durchblick auf den Hochaltar frei, der in einem eigenen Altarhaus steht. Dieser Altar ist der absolute Höhepunkt der Kirche und steht in scharfem Kontrast zur Strenge des Langhauses. Ein dreigliedriger Porticus aus nixenartigen Pfeilern, wie Fischschwänze von Wasserfrauen, rollt sich von den Schaumkronen und der Gischt der Predella in die Höhe zu einem Feuerwerk aus Blumen, Blüten, Blättern, C-Bögen, Rocaillen und Blumengirlanden, und überall schwingen Putten hoch bis zur Gloriole mit der Taube als Symbol des Heiligen Geistes. Die Figurengruppe in der Mitte des Hochaltars stellt die Taufe Christi durch Johannes d.T. im Jordan dar. "Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass sich der Himmel auftat und der Geist wie eine Taube herabkam auf ihn.“ (Markusevangelium, Kapitel 1, Vers 9). Durch die Öffnungen des Altarportikus erscheint im Hintergrund eine Flusslandschaft mit Palmen und exotischen Bäumen. Malerei und Plastik gehen ineinander über. Die ganze Szene wird indirekt durch die verdeckt liegenden Westfenster des Altarhauses beleuchtet, besonders effektvoll im Gegenlicht der untergehenden Sonne. Diese Altäre, obwohl sie biblische Themen darstellen, sind so modern wie die Collagen oder Assemblagen der Pop Art.
Dominikus Zimmerman wurde am 31.(!)Juni 1685 in Gaispoint geboren - erst 1853 erhielt der Ort die amtliche Erlaubnis sich Wessobrunn zu nennen - und starb am 16. November 1766 in seinem von ihm unterhalb der Wieskirche erbauten Wohnhaus. Der Taufbucheintrag des Wessobrunner Pater Marianus trägt das Datum „31. Juni“. Vielleicht war es diese Kuriosität, die schon zur Geburt die Einzigartigkeit eines Kindes ankündigte, das sich zu einem der berühmtesten Baumeister des Rokoko entwickelte, „Architect e Stuckador Landsbergiensis”.
Zusammen mit seinem Bruder, dem Maler und Stuckateur Johann Baptist Zimmermann schuf er solche Meisterwerke wie die Wallfahrtskirche Steinhausen und die Wieskirche bei Steingaden, sozusagen ein „dreamteam“ des 18. Jahrhunderts. Seine Bauten zeigen, was mit der Vorstellung „Das eine im anderen“ gemeint ist: Jedes Projekt ist schon im nächsten angelegt, und das nächste im übernächsten. Am Ende dieser Kette steht die Wieskirche. Sie ist einer der magischsten Orte des Rokoko und lebt nur durch das Licht – man könnte von einer architektonischen Transsubstantion sprechen, der Verwandlung von Materie in gleißendes Licht.
Charles Moore beschreibt in seinem Buch »Body, Memory and Architecture« eindrucksvoll die Wirkung der Architektur auf die Gläubigen: »Wenn die Sonne während eines stundenlangen Gottesdienstes wandert, streift das Sonnenlicht die weißen und goldenen Feinheiten des Stucks, weist auf sie hin und hebt sie hervor, und lässt auf den Köpfen und Körpern der Heiligen, den wallenden Formen und dem goldenen Gewirr der Girlanden, Schatten zurück. Aber das faszinierendste im Licht sind die Pfeiler, eine Verbindung von rund und kantig, im Querschnitt ein Kreis mit hohlkehlenartig angesetzten Kanten, wobei der Schatten etwas Licht bekommt, so dass eine scharfe dunkle Linie die schattige Seite begrenzt oder umgekehrt eine leuchtende Linie die helle Seite des Pfeilers.
Das Licht erfüllt die Gläubigen, es hüllt jeden in eine heitere vergängliche Wärme und trennt sie vom Mysterium des dunkleren farbigen Hochaltars. Hier wird mit der Sonne das ganze Zauberwerk des barocken Theaters die Heilige Messe zelebriert.«
Die Ausstellung »Lichtgestalt des Rokoko« in Landsberg zeigt, wie Dominikus Zimmermann sich von Bauwerk zu Bauwerk in seinen Ausdrucksmöglichkeiten steigert und wie virtuos er am Ende mit dem Bau der Wieskirche das Licht in nie gekannter Weise als Gestaltungselement für den Innenraum einsetzt.
Wallfahrtskirche „Zum gegeißelten Heiland“
Neubau. Architektur und Stuck, Chorfresko und Langhausfresko von Johann Baptist Zimmermann. 1745-1754
Wies bei Steingaden Landkreis Weilheim-Schongau, Oberbayern
„ Wie stellt man es an, dass ein
Gebäude einen Standort beherrscht,
dessen Ausmaße nichts mit ihm gemein
haben?“
Das Flüstern des Ortes - Eine unbestechliche Persönlichkeit: die Landschaft mit den vier Himmelsrichtungen. Die Wieskirche lebt von ihrer Stellung in der Wiesen- und Waldlandschaft. Wie aber ist es möglich, dass ein Gebäude von einigen Kubikmetern Schwerpunkt einer Landschaft von Millionen Kubikmetern sein kann? Wie stellt man es an, dass ein Gebäude einen Standort beherrscht, dessen Ausmaße nichts mit ihm gemein haben? Es ist wohl die Dichte. Das Material, die physische Masse und die Anordnung der Formen lassen den Bau für das Auge und den Geist dichter erscheinen als ein Baum oder ein Hügel. Ohne diesen Schwerpunkt gibt es keine Architektur. Die körperliche Präsenz der Architektur macht sie unverrückbar, der Ort ist garantiert. Aber ohne den Ort, den einen, gibt es keine Architektur. Zur Einmaligkeit des Ortes - eine völlig freie Architektur. Kein anderes Programm als das Lesen der Messe, eine der ältesten menschlichen Handlungen.
Von Norden kommend empfängt den Pilger ein wohlmodellierter Baukörper aus Priesterhaus, Turm, Chor, ausgebauchtem Langhaus mit der plastischen Vorwölbung der Westfassade, die als Auftakt mit den Säulen, Baldachinen und dem in weichen Kurven verlaufenden Giebel eine Ahnung vom überwältigenden Innenraum gibt.
Schloss- und Wallfahrtskirche „Maria von der Versöhnung“
Neubau. Architektur, Stuck und Fresken 1739-1742
Pöring Landkreis Landsberg am Lech, Oberbayern
Schlosskirche Pöring „Maria Versöhnung“ - Der Bischof von Augsburg wollte dem Neubau der Wallfahrtskapelle nur zustimmen, wenn sie nicht durch das Schloss, sondern frei von außen betreten werden kann. Zunächst sollte der Landsberg Maurermeister Leonhard Möhringer den Auftrag bekommen. Er zog sich jedoch aus Altersgründen zurück, so dass Dominikus Zimmermann den Zuschlag erhielt. Während er die Frauenkirche in Günzburg ausführte, arbeitete er auch an den Plänen für die Schlosskirche Pöring. 1739 fand die Grundsteinlegung statt. Die Bauausführung ging jedoch nur schleppend voran, erst drei Jahre nach Baubeginn stand der Rohbau, da das Geld fehlte. Erst 1755 konnte das Gotteshaus geweiht werden; die Fertigstellung des Hochaltars verzögerte sich gar bis 1769.
Dreipass und Quadrat - Die Schlosskirche Pöring wird als Dreikonchen- oder Dreiapsidenkirche beschrieben. Die Kirche ist aber viel raffinierter: Der Chor zeigt im Grundriss einen ungleichen Dreipass der mit einem Langhaus organisch verschmolzen wird. Pöring ist eigentlich eine Mischung aus Zentralbau und Längsbau. Die Flachkuppeln der drei kreisförmigen Altarräume schwingen wie Baldachine in das Spiegelgewölbe des Hauptraums ein. Dort werden sie von Mauerbögen aufgenommen und in einer eleganten Wellenlinie von den Kapitellen der frei vor der Wand stehenden Säulen aufgefangen. Das alles gibt dem kleinen Kirchenraum eine erstaunliche Leichtigkeit, Harmonie und „Bella Figura“. Die weißen Wände und die feine zurückhaltende Stuckierung unterstreichen dazu noch seine Vornehmheit.
Kurventechnik - Die „Delicatesse“ geschwungener Linien und sanft ondulierter Oberflächen faszinieren die meisten Menschen. Die Freude bei der Wahrnehmung geschwungener Formen beruht wohl darauf, dass der Gesichtssinn als Stellvertreter des Tastsinns fungiert. Das Sehen ist mit dem Wunsch nach Berührung verbunden. Während das Auge an der konvexen Gestalt entlang wandert, tastet es sie gewissermaßen ab. Es gibt also eine Verbindung zwischen Sehen und Fühlen, und es scheint, dass wir uns angesichts weicher, gerundeter, geschmeidiger Formen entspannen,
„Die Linie genießt der Betrachter,
wie wenn er der Schönheit eines
Frauenhalses oder der kalligrafische
Eleganz einer schönen Schrift
mit den Händen entlang fährt.“
während wir kantigen, eckigen Objekten eher kühl gegenüber stehen. Die Linie, die das Konvexe und Konkave zeichnet, genießt der Betrachter, wie wenn er der Schönheit eines Frauenhalses oder der kalligrafische Eleganz einer schönen Schrift mit den Händen entlang fährt. Während man der Spur mit den Augen nachgeht, streicht man über die Oberflächen und fährt nicht nur Umrisse ab, sondern man erfasst auch das Körpervolumen. In der Schönheit der Wellenlinie fällt zudem die Schönheit des Funktionalen mit der des Ornamentalen auf natürliche Weise zusammen.
Filialkirche St.Johannes am Vorderanger (Johanniskirche)
Neubau. Architektur, Stuck, Hochaltar, Wand- und
Kuppelfresko 1740-1754
Landsberg am Lech Oberbayern
Klassik gemixt mit Popart - Der Kirchenraum verblüfft wegen seines purifizierten Rokoko, er ist von einer fast klassizistischen Coolness. Acht reinweiß gekalkte Säulen stehen mit leichtem Abstand vor den Wänden, die in Benediktbeurer Grün gestrichen sind. Auf den Korinthischen Kapitellen der Säulen sitzt ein kantig weit vortretendes Gebälk, dazwischen ein das Deckengemälde scharf trennendes Gesims. Das Fehlen der üblichen Stuckierung gibt dem ganzen Raum eine sehr vornehme Atmosphäre. Das rechteckige Langhaus wird im Innern zu einem Oval mit angefügten halbrunden Nischen umgemodelt. Der Chor wird als Kreis angefügt. Der Blick erfasst Hochaltar und Seitenaltäre, die in den westlichen Nischen stehen, gleichermaßen.
Alle drei Altäre haben sich von der strengen Tektonik früherer Altarbauten gelöst. Zwar gibt es noch ein Antependium, eine Mensa, eine Predella und das Altarbild, aber alles schwingt, schweift und schwebt. Die Seitenaltäre schwingen und kurven sich über C-Bögen nach außen und innen. Wo früher Sockel, Stuckmarmorsäulen, Kapitelle und Gesimse waren, schwänzeln kokett Rocaillen hoch und verbinden sich mit der Herzgloriole die über und über mit Putti und goldenen Strahlen besetzt ist. Der Antragsstuck der beiden Altäre ist völlig weiß gehalten, über das Weiß fließen goldene Linien und Verzierungen bis zum goldenen Strahlenkranz.
„Alles schwingt, schweift und schwebt.
Die Seitenaltäre schwingen und kurven
sich nach außen und innen. Wo früher
Sockel, Säulen und Gesimse waren,
schwänzeln kokett Rocaillen hoch
und verbinden sich mit über und
über mit Putti und goldenen Strahlen
besetzten Herzgloriole.“
Zwei Säulen des Langhauses geben den Durchblick auf den Hochaltar frei, der in einem eigenen Altarhaus steht. Dieser Altar ist der absolute Höhepunkt der Kirche und steht in scharfem Kontrast zur Strenge des Langhauses. Ein dreigliedriger Porticus aus nixenartigen Pfeilern, wie Fischschwänze von Wasserfrauen, rollt sich von den Schaumkronen und der Gischt der Predella in die Höhe zu einem Feuerwerk aus Blumen, Blüten, Blättern, C-Bögen, Rocaillen und Blumengirlanden, und überall schwingen Putten hoch bis zur Gloriole mit der Taube als Symbol des Heiligen Geistes. Die Figurengruppe in der Mitte des Hochaltars stellt die Taufe Christi durch Johannes d.T. im Jordan dar. "Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass sich der Himmel auftat und der Geist wie eine Taube herabkam auf ihn.“ (Markusevangelium, Kapitel 1, Vers 9). Durch die Öffnungen des Altarportikus erscheint im Hintergrund eine Flusslandschaft mit Palmen und exotischen Bäumen. Malerei und Plastik gehen ineinander über. Die ganze Szene wird indirekt durch die verdeckt liegenden Westfenster des Altarhauses beleuchtet, besonders effektvoll im Gegenlicht der untergehenden Sonne. Diese Altäre, obwohl sie biblische Themen darstellen, sind so modern wie die Collagen oder Assemblagen der Pop Art.
sunhouse - 16. Jan, 08:23